Hintergrund zum Sudan

Bürgerkrieg, schlimmste Menschenrechtsverletzungen, Diktatur. Nachrichten aus dem Sudan, sind fast immer Horrormeldungen. In den 1980ern waren es die kriegsbedingten Verwüstungen im Südteil des Landes, später die genozidalen Exzesse der vom Regime in Khartoum unterstützten Janjaweed-Milizen in der eigentlich reichen Region Darfur, die das Bild des Landes prägten. Beeindruckend hoffnungsvoll war die die friedliche Revolution, mit der die sudanesische Zivilbewegung am 11. April 2019 den langjährigen Diktator Omar A-Bashir aus dem Amt zwang. Ein Militärrat aus Vertretern des Militärs und der Rapid Support Forces (RSF) unter dem Janjaweed-Führer Hemiti übernahm zunächst die Macht und versuchte die zivilen Proteste mit brutaler Gewalt zu beenden. Doch der gewaltfreie Widerstand der Opposition fand auch internationale Unterstützung. So willigte das Militär Ende Juli 2019 in Verhandlungen ein. Am 21. August 2019 wurde die aus Militärs und Vertretern der Zivilbevölkerung gebildete Übergangsregierung vereidigt.

 

Doch unterstützt durch Ägypten und Saudi-Arabien wurden die zivilen Kräfte immer weiter aus der Verantwortung gedrängt. Auch die internationale Staatengemeinschaft vertreten durch den UN-Sonderbeauftragte Volker Perthes versäumte es, die zivilen Kräfte zu stärken. Mit dem verbrecherischen Putsch vom 25. Oktober 2021 beendeten das Militär und die RSF den zivilen Aufbruch des Landes endgültig. Der Streit um die Macht im Land und die hemmungslose Ausbeutung der Ressourcen führte schließlich am 15. April 2023 zum offenen Krieg zwischen Armee und RSF. Dieser wird seither ohne jede Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung geführt.

 

Trotz - und gerade angesichts der dominierenden zerstörerischen militärischen Machtkämpfe haben sich im Sudan in den vergangenen Jahren eindrucksvolle zivilgesellschaftliche Gruppen und Initiativen gebildet, die unter widrigen Umständen und oft Einsatz ihres Lebens versuchen, ihre Visionen für eine bessere Gesellschaft umzusetzen. Eine dieser Organisationen ist die NGO Mahabba.

 

Unsere Partnerorganisation vor Ort: Mahabba

Die NGO „Mahabba“ war aus einer Initiative junger Medizinstudentinnen 2016 in Khartoum entstanden. Im Rahmen ihres Studiums erhielten junge Medizinstudentinnen Einblicke in das Frauengefängnis in Khartoum. Dabei stellten sie fest, dass ein Großteil der Frauen dort auf Grund von Geldschulden einsitzen. Nicht wenige von ihnen wurden deswegen von ihren Kindern getrennt. Dabei handelt es sich oft um Beträge von nicht mehr als 50 Euro. Die Studentinnen bauten die Nähwerkstatt im Gefängnis aus, lernten die inhaftierten Frauen an und vermarkteten die dort produzierten Taschen über soziale Medien. So konnten die Inhaftierten mit dem Erlös ihre Schulden begleichen und gleichzeitig Perspektiven entwickeln, um künftig ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

 

Die Nachfrage nach den Taschen war groß. Bis Ende 2018 hat Mahabba rund 1 500 Stück verkauft. Rund 30 Frauen waren an der Produktion beteiligt. Viele Frauen wollten nun auch außerhalb des Gefängnisses über die Taschenproduktion ihren Lebensunterhalt sichern. Daraus hat Mahabba die Idee von „Hudhud“ entwickelt. Ihr Ziel ist es, als soziales Unternehmen 2019 eine Lehrwerkstadt und die Taschenproduktion auch außerhalb des Gefängnisses zu etablieren und so noch mehr Frauen die Möglichkeit zu geben, wirtschaftlich unabhängig zu sein. Dabei sollen die Standards weiterentwickelt und der Markt erweitert werden.

Unterstützung durch FFDNO

FFDNO  unterstützte Mahabba bei der Umsetzung dieses Projekts. Zum einen durch finanzielle Unterstützung bei der Etablierung der Werkstatt. Hierfür hat FFDNO Anfang 2019 durch die Übermittlung von 3.000 Euro die Finanzierung von Nähmaschinen ermöglicht. Der weitere Ausbau der Werkstatt und eines Lehrprogramms für die Näherinnen wurde im Laufe des Jahres 2019 mit Fördermitteln von rund 6.000 Euro der Thüringer Staatskanzlei finanziert.

 

Trotz der gesellschaftlichen Umbrüche und Unsicherheiten hat Mahabba das Projektvorhaben erfolgreich umgesetzt. Dank der eingerichteten Lehrwerkstatt konnten Frauen dort unter Anleitung Nähfertigkeiten gewinnen und mit sozialpädagogischer und psychologischer Begleitung individuelle Wege in die finanzielle Unabhängigkeit finden.

 

Vom karitativen Projekt zum sozialen Unternehmen 

Gerade in Zeiten des politisch-gesellschaftlichen Wandels ist eine herausragende Stärke des Projektvorhabens, individuell und situationsbezogen mit und für die Frauen Lösungen zu entwickeln. Dieser Projektansatz hat sich insbesondere in der Verschärfung der Krise durch die Ausbreitung des Corona-Virus bewährt. Mahabba hat auf Grundlage der medizinischen Fachkenntnisse der Projektleitung im März 2020 den Prototyp einer Nasen-Mund-Schutzmaske entwickelt. Seither leitete Mahabba Frauen in der Herstellung an. Aufgrund der großen Nachfrage der Masken hat Mahabba die Gründung des sozialen Unternehmens AL-SALAM social Enterprise initiiert, das sich auf die Produktion der Nasen-Mund-Masken spezialisiert. Das Unternehmen hat 2020 im Auftrag von internationalen Unternehmen, wie beispielsweise der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) oder der Weltgesundheitsorganisation hunderttausende von medizinischen Masken für den Sudan produziert. Damit waren in der krisenhaften Zeit in 2020 all die Näherinnen, die Mahabba in den vergangenen Monaten ausgebildet hat, sowie rund 200 weitere Frauen und Männer für die nächsten Monate unter fairen Bedingungen in Lohn und Brot. 

 

Auch in den politisch und gesellschaftlich weiterhin krisenbehafteten Folgejahren nach Corona hat AL-SALAM seine Ideen weiterentwickelt. Als soziales Unternehmen halten unsere Projektpartner an dem Ziel fest, Frauen durch faire Arbeit Perspektiven zu schaffen. Dabei entwickeln sie Produkte, die den aktuellen Bedarfen entsprechen. Ihre Produktion mussten sie 2023 auf Grund des Bürgerkriegs aus Khartoum raus in die Küstenregion um Port Sudan verlagern. Dort produziert AL-SALAM Hygieneartikel für Frauen. Dabei haben sie insbesondere die vielen Frauen und Mädchen im Blick, die sich derzeit auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg befinden. Über Fundraising wollen sie möglichst viele von ihnen mit wieder verwendbaren Stoffbinden versorgen und über Menstruation und gesundheitliche Hygiene aufklären.